von Rebecca Lienert
Faszien sind das größte Sinnesorgan des menschlichen Körpers. Muskeln, Knochen, Gefäße und Organe werden von dem faszialen Gewebe umhüllt. Auch unter dem Begriff “Bindegewebe” bekannt sind Faszien darüber hinaus für den Lymphfluss und somit auch für das Immunsystem essentiell.
Faszien stellen im menschlichen Körper ein weit verzweigtes Netz aus Fasern, Fibroblasten und vielen weiteren Zellen dar. Das Faszien-Netzwerk hat dabei eine Verbindungs- und Stützfunktion und dient als Kommunikations- und Leitbahnsystem für verschiedene Stoffwechsel- und Regulationsprozesse. In den Strukturen befindet sich eine große Anzahl an Rezeptoren und Nervenzellen, die das Gehirn ansteuern und mit Sinneseindrücken versorgen. Außerdem dienen Faszien als Speicher für kinetische Energie und unterstützen die Muskelarbeit. Regelmäßige Bewegung regt den Körper dazu an, alte Faszienzellen durch neue, geschmeidige zu ersetzen. Bei andauerndem Bewegungsmangel, Verspannungen oder auch Stress können sich die Faszien zusammenziehen, verkleben und auch verdicken. Schmerzen und eingeschränkte Bewegungsfreiheit sind die Folgen.
Faszienaufbau und -system
In erster Linie bestehen Faszien aus den Grundbausteinen Proteinen und Wasser. Die genaue Zusammensetzung richtet sich nach der Art und Funktion der Faszie. Näher betrachtet bestehen Faszien aus Kollagen, Elastin, Bindegewebszellen und einer flüssigen Matrix. Jeder Bestandteil ist für eine bestimmte Eigenschaft zuständig. Das Kollagen sorgt für die Festigkeit. Dadurch sind Faszien elastisch, aber dennoch reißfest und sogar zugfester als Stahl. Elastin ist für die Dehnbarkeit zuständig. Die Zellneubildung passiert durch die Bindegewebszellen. Letztendlich sorgt die flüssige Matrix als Grundsubstanz für die Geschmeidigkeit.
Am besten lässt sich das fasziale Gewebe an der weißen Haut einer Orange erläutern. Die weiße Haut überzieht die einzelnen Stücke der Orange, so wie die Faszien die Muskeln. Die Frucht erhält so ihre Form und trennt gleichzeitig auch die einzelnen Teile voneinander. Im menschlichen Körper werden erst durch die Faszien die Muskeln voneinander abgegrenzt.
Das Fasziensystem sorgt dafür, dass zwischen den Faszien die Lymphe abgeleitet wird. Die Flüssigkeit transportiert Nährstoffe in die Zellen und Abbaustoffe aus den Zellen heraus. Wird dieser Transport gestört, kann die Lymphe nicht normal fließen. Es entstehen Verklebungen in den Faszien. Durch zielgerichtetes Training werden Verklebungen gelöst und Schmerzen in bestimmten Körperbereichen gelindert. Die Leistungsfähigkeit des Körpers wird erhöht. Sportlern kann nach anspruchsvollen Wettkämpfen geholfen werden, die Regenerationszeit zu verkürzen.
Vier Arten des Faszientrainings
Faszien sollten 2-3 mal pro Woche für mindestens 10 Minuten trainiert werden. Die Übungen lassen sich mühelos in den Alltag integrieren. Wichtig ist, sich beim Üben nicht ablenken zu lassen, um die eigene körperliche Wahrnehmung nicht zu beeinflussen. Eine kontrollierte, behutsame Ausführung und eine Kombination aus den fünf vorgestellten Arten bringt den meisten Nutzen mit sich.
Movement Preperations
Durch das Einbeziehen verschiedener Körperpartien wecken die “Movement Preparations” die sogenannten “schlafenden Muskeln”. Das verbessert die Flexibilität und Elastizität nachhaltig. Die Übungen tragen außerdem zur Verletzungsprophylaxe bei. Die dynamischen Bewegungsfolgen können als “Warm-up” oder als Bewegungspause im Alltag genutzt werden.
Fascial Stretching
Kennzeichnend für diese Faszienart sind die langkettigen Dehnungen, d.h. die Dehnung über mehrere Gelenke. Die langen Muskelketten strecken sich dabei in alle Richtungen bis zur Endposition aus. Dadurch entsteht eine Zugspannung. Ziel des Fascial Stretching ist es, mehr Elastizität und Stabilität im Gewebe zu erhalten. Die federnden Bewegungen wirken dabei besonders stimulierend.
Rebound Elasticity
Als aktive Faszienkontraktion wird bei der “Rebound Elasticity” eine vorbereitete Gegenbewegung ausgeführt. Die elastischen Rückfederungen und Schwünge bauen dabei eine leichte Vorspannung auf. Gespeicherte Energie wird in der Bewegung dynamisch freigesetzt. Daraus resultiert ein leichteres, kräftesparendes Bewegen. Die Bewegung sollte beim Ausführen so fließend und lautlos wie möglich erfolgen.
Fascial Release
Der Einsatz von Rollen oder Bällen in unterschiedlichen Größen und Festigkeiten regt die Hydration des Gewebes an. Der entstehende Wirkmechanismus presst die Faszien wie ein Schwamm aus. In der anschließenden Erholungsphase fließt frisches Gewebewasser aus den Lymphen in das beanspruchte Gewebe zurück.
Diese Art des Faszientrainings kann mit Schmerzen verbunden sein. Anders als bei den restlichen Techniken gilt es hier, bewusst auf den Schmerzpunkten zu verharren. Verklebungen und Verhärtungen können dadurch gelöst werden. Dabei ist es besonders wichtig, dass im Zeitlupentempo gearbeitet wird. Schnelles Rollen entfaltet keine Tiefenwirkung und verhindert sogar, dass der Druck bis in die tieferen Schichten wirkt. Ist ein Schmerzpunkt gefunden, sollte erst weiter gerollt werden, wenn der vorhandene Druckschmerz um mindestens zwei Drittel nachgelassen hat. Wichtig für Leistungssportler: Es sollte erst nach der Belastung gerollt werden, da das Gewebe samt Muskulatur durch die Anwendung detonisiert wird, was die muskuläre Leistungsfähigkeit kurzfristig reduziert.
Wichtiger Hinweis: In folgenden Fällen sollte ein Training mit der Faszienrolle vorher abgeklärt oder eine andere Trainingsart gewählt werden:
- Bei Rötung, Schwellung oder akutem Schmerz
- Bei Osteoporose, Bandscheibenschäden, Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten, Fibromyalgie, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, Gelenkersatz, Tumorerkrankungen
- In der Schwangerschaft
Faszientraining hat auf die Gesundheit und auf die sportliche Leistung viele positive Effekte. Verletzungen können vorgebeugt und Regenerationsprozesse unterstützt werden. Eine Kombination aus Faszientraining und rückenfreundlichem Verhalten im Alltag kann enorm dabei helfen, Schmerzen gar nicht erst entstehen zu lassen.